Sonntag, 6. Juni 2021

Die schwergewichtige Gabriela Würtz erfindet sich im Rahmen von Corona mit Mitte 50 neu

Es gab eine Zeit, da dachte ich, Bücher bei Books on Demand würden nicht viel taugen. Das ist lange vorbei. Das fast 450 Seiten starke Buch "Nenn mich nicht Gabi! Und mein Hund heißt Frau Willie" von Gabriela Würtz, das den Neustart einer ohnehin starken Frau mit Mitte 50 zum Thema hat, ist ein gutes Beispiel für Qualität und vor allem Originalität bei BoD. Äußerlich ansprechend und innerlich überzeugend - informativ und unterhaltsam. 

Um das herauszufinden, brauche ich nicht lange. Mir gefällt schon die liebevolle Widmung der Autorin an ihre Lieblingstante Siglinde, eine Schwester ihrer Mutter. Das Vorwort von Stefanie Hertel deutet an, worauf man sich gefasst machen darf: auf eine Frau, die sich durchsetzen kann. Das zeigt sich auch in ihrem Einleitungstext: "Ich habe eigen(willig)e Gedanken zu (un)möglichen Themen. Themen, die wehtun können. Ich bin manchmal streitbar, lebe aber mit den Konsequenzen, bin anders als andere und unkonventionell. ..." Anders als andere bin ich auch und eigenwillige Gedanken habe ich erst recht. Schon ist mein Interesse geweckt.

Die aktuelle Corona-Pandemie hat viel damit zu tun, dass das vorliegende Buch entstand. Sie gab der Autorin die willkommene Gelegenheit, sich mit Mitte 50 selbst in Frage zu stellen, nicht zuletzt ihr Spiegelbild in den Spiegelschränken ihres Schlafzimmers. Schnell stand fest: Weniger (an Kilos) wäre doch deutlich mehr. Und schon ist die Idee geboren, sich einen Personal Trainer zu nehmen, um sich mit dessen oder deren Hilfe von zahlreichen Kilos zu trennen. Der Trainer ihrer Wahl gerät weiblich: Aleks, bereit, 24/7 Unterstützung zu geben. Allerdings glaubt Gabriela trotzdem nicht so recht an den Erfolg - zu unrecht. Mit Hilfe eines 90-Tage-Programms nimmt sie zwar nicht so viel ab wie ihr Vorbild Adele, die 25 Kilo weniger schaffte, aber immerhin 20 % ihres Gewichts - von 92,5 auf 76,0 Kilo. In ihrem Buch beschreibt sie temporeich und mit sehr viel Witz, wie das gelingen konnte, und erzählt nebenher zahlreiche Anekdoten aus ihrem bewegten Leben. Die sind fett gedruckt, so dass man schnell sehen kann, was was ist. 


 Ein Herz und eine Seele: Gabriela und Frau Willie. Am 26. Mai 2021 erschien bei BoD das turbulente Buch.

Dass die Frau was zu sagen beziehungsweise zu schreiben hat, ist unübersehbar. 445 Seiten wollen ja ohnehin erst einmal gefüllt werden, doch da sie immer mal wieder in einen leichten Stichwortstil verfällt, hätten es wohl gut noch mehr werden können. Ihr Schreibstil: durchgängig locker vom Hocker. Ihr spezieller Humor und ihr Einfallsreichtum sind herrlich. Auf die Idee, den eigenen Busen zu wiegen - mit einer verrückten Methode aus dem Internet - muss man ja erst mal kommen. Sie liest bei größeren Geschäften gern auf dem Klo und auf dem Gäste-WC liegt ein Buch mit dem schönen Titel "Einen Scheiß muss ich". Wenn sie nicht schlafen kann, zappt sie sich durchs "nächtliche Doof-Programm". Erfrischend, die Frau ...!

Gabrielas liebt ihre Hündin Willie. Dass die sich gern mal breit macht in Frauchens Bett, an vorgewärmter Stelle nach dem nächtlichen Toilettengang, ist nur ein amüsanter Punkt mehr. Am Ende des Buches geht es dann noch um einen mit hilfreichen Geistern gut vorbereiteten Garagen-Flohmarkt, denn neben den Pfunden soll auch Krempel weichen. Natürlich schreckt die agile Autorin nicht davor zurück, sich werbewirksam mit (fast neuem) Indianerkopfschmuck in Szene zu setzen. Gabriela lässt eben einfach nichts aus. Also, mal unter uns: Ich bin ja immer ein wenig skeptisch, wenn eine Lady sich selbst als Powerfrau bezeichnet, doch in diesem Fall muss ich sagen: Sie ist wirklich eine. Und nicht nur die Vorher-Nachher-Fotos überzeugen.

Wer eine flockig-leichte Lektüre sucht, nebenher Einblicke ins Showbiz und Motivation für eigene Abnehm- und Fitnesspläne gewinnen möchte und auch noch gern schmunzelt, der oder die ist mit diesem Buch bestens bedient. Hätte locker auch anderswo als bei BoD veröffentlicht werden können - dann vermutlich etwas abgespeckt. Aber dieser Weg passt eben zu Gabriela: Nicht lang schnacken (und auf Verlagsfeedback hoffen), sondern besser: Machen! Dass es ihr Spaß gemacht hat, über ihr Leben und ihre Erfahrungen zu schreiben, spürt man in jeder Zeile. Ich kann das gut nachvollziehen. Immerhin schreibe ich gerade mit Begeisterung an meiner eigenen Lebensgeschichte und poste in meinem neuen Blog Life-55-memoirschreiben.blogspot.de Auszüge daraus. Jedes Leben ist eben spannend. Das Ihre doch sicherlich auch. Na denn: Lesen Sie. Und vielleicht schreiben danach, neu inspiriert, auch Sie. :-)

Die Autorin: Gabriela Würtz, Jahrgang 1966, geboren in Hamburg, Organisations- und Musikmanagerin, Inhaberin des Onkel-Walter-Shops, eines Handels mit Kult & Kostbarkeiten, Powerfrau und Hundemutter, SINNfluencerin, Wassermann und Stehaufmännchen.

Gabriela Würtz, Nenn mich nicht Gabi! Und mein Hund heißt frau Willie - Neustart mit Mitte 50, BoD 2021, Paperback, 445 Seiten, 19,66 Euro.