Freitag, 6. Mai 2016

Glück, Gelassenheit und Kraft durch Stress



Viele Menschen klagen über Stress. Etliche darunter haben sicher schon davon gehört, dass es positiven und negativen Stress geben soll - Eustress und Distress. Aber kaum einer würde ernstlich mehr Stress für ein glückliches Leben empfehlen. - Doch! Urs Willmann tut es. In seinem Buch "Stress - Ein Lebensmittel"  setzt sich der Wissenschaftsredakteur bei der Wochenzeitung "Die Zeit" ausführlich damit auseinander. Er hat Hirnforscher getroffen, sich im Stresslabor testen lassen und die wohltuende Wirkung von Stress am eigenen Leib erfahren. Für ihn macht Stress fit und tiefenentspannt. Für ihn ist Stress nichts anderes als ein unverzichtbares Lebensmittel.

Wer das Buch erblickt und sensibel ist, empfindet schon den ersten Stress: große weiße Buchstaben auf einem schreiend orangefarbenen Einband. Selbst die Buchseiten sind am Rand orange eingefärbt. Im Vorwort wundert der Autor sich zunächst einmal, dass der Leser oder die Leserin überhaupt zu seinem Buch gegriffen hat, angesichts der Tatsache, dass Stress allenthalben verteufelt wird und die meisten Menschen gar nicht mehr wissen, wozu Stress als Reaktionsmöglichkeit überhaupt gut ist. Zumeist sei es eine kurzfristige Reaktion des Gesamtorganismus, etwa wenn die Antilope dem sie jagenden Geparden entkommen will. - Okay, in diesem Moment ist Stress sicherlich etwas Gutes.

Weiter geht es unter "Süchtig nach Stress" mit Stresssituationen, denen Menschen sich bewusst aussetzen, einem Aufguss in der Sauna beispielsweise - vergleichsweise harmlos also. Gleich darauf folgt die Beschreibung eines Vorfalls, bei dem ein mit Schmerzmitteln gedopter Saunagänger bei einer "Sauna-Weltmeisterschaft" auf dramatische Weise verstarb. Irgendwie passt die Lektüre der entsprechenden Stelle für mich zum orangefarbenen Einband. Stress pur!

Das Buch berichtet von der Sicht der Wissenschaft, von Grenzerfahrungen und Zumutungen, von unterschiedlichen Lebensmodellen und davon, wie sich perfekt leben lässt - mit Stress. Es läutet den Abschied vom Mythos ein, dass hart arbeitende Menschen unter gesundheitsschädigendem Stress generell leiden, weil bei Studien entdeckt wurde, dass Arbeitslose viel stärker von Stress betroffen seien als angeblich noch so gestresste Manager. Endlich in Rente? Nicht unbedingt. "Eine herausfordernde Tätigkeit würde das Risko, später an Demenz zu erkranken, deutlich verringern." Ganz zum Schluss berichtet Urs Willmann von der tektonischen Unruhe, dem Stress also, wenn die afrikanische Platte gegen Europa drückt. Neben Unruhen im Mittelmeerraum seien das Resultat die Alpen - "die größte und schönste Erholungslandschaft Europas".

Der Autor: Urs Willmann, Jahrgang 1964, sagt von sich selbst, er sei ein Energie-Junkie, der leidenschaftlich gern arbeitet und extreme sportliche Herausforderungen sucht. Die findet er vor allem beim Maratholauf und in den Bergen.

Urs Willmann, Stress - Ein Lebensmittel, Pattloch-Verlag 2016, Hardcover, 304 Seiten, 19,99 Euro.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen