Dass Großeltern wichtig sind für Enkelkinder, ist bekannt. Sie sind es nicht zuletzt deshalb, weil sie den Enkelkindern eine Auszeit von zu Hause bieten. Die Regeln, die dort gelten, gelten im allgemeinen bei Oma und Opa nicht. Das ist für die Kinder verlockend. Bei Stephan Sigg war das nicht anders. Bei seiner Oma war er einfach zu gern. Bei dieser ihm einzigartig erscheinenden Großmutter, die gern mal einen Prosecco trank und - in einer lebenslangen On-Off-Beziehung - Zigaretten rauchte, die Kaiserschmarren backen konnte wie keine Zweite, eine ganze Kammer voller Süßigkeiten hatte. Die keine Entertainerin war mit durchgetaktetem Programm, sondern einfach eine Großmutter, die offen war für die Wünsche und Träume ihres Enkelsohnes. Deren Wohnung ein einziges Kinderparadies war. Die nicht auf dem Dorf lebte, sondern in der Stadt, mit glitzernden Autoscheinwerfern, die am Abend die Dunkelheit verzauberten. Die irgendwann mit Stephan auch über dessen Glauben sprechen wollte.
Eines Tages wohnten Opa und Oma nicht mehr zusammen. Oma hatte Opa hinausgeworfen und fortan lebten sie in einer Together-apart-Beziehung, während Stefan seiner Großmutter gewünscht hätte, dass sie auf ihre alten Tage auch darauf verzichtet hätte. Der Opa war ihm nicht so wichtig. Die Oma umso mehr. Das Buch "Abschied von meiner Oma", in der der Autor die verstorbene Großmutter immer wieder direkt ansprach, ist eine einzige Liebeserklärung an die Frau, bei der alles möglich war, "was ich zu Hause nicht mal zu denken gewagt hätte".
Der Autor: Stephan Sigg, Jahrgang 1983, wuchs im St. Galler Rheintal und bei seiner Oma am Bodensee auf. Sie war eine der prägendsten Personen in seiner Kindheit und weckte in ihm, der heute Theologe, Autor, Journalist und Erwachsenenbildner ist, auch die Faszination für Bücher, Geschichten und das Schreiben.
Stephan Sigg, Abschied von meiner Oma, Patmos-Verlag 2019, Hardcover, 135 Seiten, 15 Euro.
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