Mittwoch, 22. November 2017

Vergebung, Entschuldigung, Verzeihen als Weg, um Herzschmerzen zu heilen

Verzeihen - welch komplexes Thema!

Es wäre ja wirklich schön, man würde sich so verhalten, dass man sich nie zu entschuldigen bräuchte. Also bemühe ich mich, möglichst nett, offen, fair, interessiert und verständnisvoll mit meinen Mitmenschen umzugehen. Was oft, aber längst nicht immer gelingt. Ist dann eine Entschuldigung angesagt, so geht mir ein ernst gemeintes "Sorry!" noch schnell und leicht über die Lippen. Das genügt aber nicht immer. Geschieht ein Streit in Wut oder gar Verzweiflung, bin ich selbst zu einem "Sorry!" zunächst gar nicht in der Lage. Bei einem ernsthaften Disput spüre ich, wenn der Zorn vorüber ist,  große Erleichterung, wenn mein Gegenüber meine Entschuldigung offenen Herzens annehmen kann. So können - auf Augenhöhe - beide Seiten aufatmen und den Kopf weiterhin oben tragen. Was gut tut, aber nicht immer machbar ist. Man/frau kann sich da selbst arg im Weg stehen.

In ihrem Buch "Versuch's mal mit Entschuldigung - Wie Versöhnung kleine und große Herzschmerzen heilt", zeigt Harriert Lerner, was man alles falsch machen kann in Sachen Vergebung. Warum es einigen Menschen, oft über viele Jahre hinweg, so schwer fällt, aus vollem Herzen "Verzeih mir!" zu sagen. Wie man die eigene Bitterkeit überwinden kann, wenn das Gegenüber die Wirklichkeit verdreht und uns die Schuld zuschiebt. Aber auch, wie heilsam eine Entschuldigung sein kan und was man konkret(!) tun kann, wenn man eine schmerzvolle Erfahrung gemacht oder einem anderen Menschen Schmerz zugefügt hat.

Wussten Sie, dass es verschiedene "Entschuldiger-Typen" gibt? Der notorische Nicht-Entschuldiger gehört ebenso dazu wie der "Zu-viel-Entschuldiger". Die Autorin geht der Frage nach, warum gerade die Menschen mit den schlimmsten Vergehen am wenigsten ihre Schuld eingestehen können. Sie rät dazu, dem Druck einer halbherzigen Entschuldigung zu widerstehen. Friede, Freude, Eierkuchen um jeden Preis ist also nicht die Lösung.

Obwohl die Autorin sich seit rund 20 Jahren mit der Thematik beschäftigt, ist auch sie vor Schwierigkeiten nicht gefeit: "Bei meinem Mann Steve entschuldige ich mich gern nur für das, was ich als meinen Anteil an einem Problem sehe, und erwarte zugleich von ihm, dass er sich für das entschuldigt, was ich als seinen Part betrachte. Man kann sich vorstellen, dass wir uns da nicht immer einig sind."

Das Buch richtet sich nicht nur an  Menschen, die verzeihen lernen möchten,sondern auch an die, die verletzt wurden und die Erfahrung machen, dass die andere Seite "es einfach nicht kapiert". Ihnen zeigt sie Wege auf, um den Ton eines Gespräches von sich aus zu ändern und so zum "Schuldigen" durchzudringen. Es zeigt aber auch, dass die Herausforderng von Entschuldigung und Versöhnung ein Tanz ist, der zwischen mindestens zwei Personen stattfindet. Und bei solch einem Tanz tritt man dem anderen eben nur allzu leicht auf die Füße.

Die Autorin: Harriet Lerner, Psychologin in eigener Praxis, ist Bestseller-Autorin - mit über 3 Millionen verkauften Büchern. Regelmäßig schreibt sie für das Magazin New Woman. Ihr Buch "Wohin mit meiner Wut" wurde in 35 Sprachen übersetzt. Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne.

Harriet Lerner, Versuch's mal mit Entschuldigung - Wie Versöhnung kleine und große Herzschmerzen heilt, Verlag Knaur Balance 2017, 224 Seiten, 16,99 Euro.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen