Die Protagonistin, halb Französin, halb Japanerin, heißt Rose. Sie wird nach Kyoto gerufen, um der Testamentseröffnung ihres Vaters, den sie nie kennengelernt hat, beizuwohnen. Die Wartezeit bis zum Notartermin erlebt sie Seite an Seite mit Vertrauten ihres Vaters, allen voran Paul, der aus Belgien stammt. Sowohl Rose als auch Paul haben Trauer zu verarbeiten, und das tut jeder von ihnen auf seine Weise.
Ich kannte die Autorin bisher nicht und war überrascht zu lesen, dass ihre Romane offenbar sehr erfolgreich sind - Spiegel-Beststeller, vielfach übersetzt und preisgekrönt. Dass "Eine Rose allein" den Massengeschmack bedient, kann ich mir nur schwer vorstellen. Man kann das Buch nicht so einfach weglesen. Ich fand es zunächst ein wenig sperrig und unterkühlt. Auch insofern langweilig, als die beiden Protagonisten eigentlich ständig irgendwo hin zum Essen gehen oder einen Tempel besuchen. In Richtung Liebesgeschichte ging es erst recht spät und auch nicht unbedingt überzeugend. Ich konnte keinen rechten Spannungsbogen erkennen und überlegte tatsächlich, das Buch zur Seite zu legen. Dann aber nahm es mich doch gefangen - eben weil es so ganz anders ...
Die Lektüre erlaubte mir, mit Japan eine Welt zu betreten, in der andere Gesetze gelten. Ich durfte eine Gesellschaft ansatzweise kennenlernen, die der unseren sehr unähnlich ist. An den Erzählton musste ich mich zunächst gewöhnen, fand ihn an einigen Stellen aber angenehm poetisch. Und ich kam nicht umhin, am Ende doch einfach wissen zu wollen, wie die Geschichte ausging.
Alles in allem: ein ungewöhnliches Buch, das einen Kontrapunkt setzt zu unserer schnelllebigen Zeit.
Die Autorin: Muriel Barbery, Jahrgang 1969, ist Philosophieprofessorin und Autorin, Ihr Roman "Die Eleganz des Igels" wurde zu einem großen literarischen Beststeller, der in mehr als 30 Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet wurde. "Eine Rose allein" ist ihr fünfter Roman.
Muriel Barbery, Eine Rose allein, Ullstein-Verlag 2023, gebunden mit Schutzumschlag, 204 Seiten, 19,99 Euro.
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