Dienstag, 6. Oktober 2020

Skurriler Roman um Liebe, Lust und dunkle Geheimnisse im Regenwald

 "(K)ein Mann, der's wert ist" - so heißt der skurrile Roman voll unerwarteter Wendungen, den Wolf-Ingo Härtl geschrieben hat. Die Protagonistin: Gundel, eine attraktive, nicht mehr ganz junge Frau, die als frischgebackene Reiseleiterin mit einer ebenso agilen wie schrägen Reisegruppe für Senioren unterwegs ist. Als das kleine Flugzeug auf einer Sandbank des Amazonas mitten im Urwald eine Bruchlandung hinlegt und der Pilot ums Leben kommt, müssen die ungleichen Menschen, von denen jeder so seine ganz eigene Geschichte hat, sich aufs Geratewohl auf den Weg machen, um zu überleben. Recht bald landen sie - erstaunlicherweise mitten im Dschungel - an einem Nachtclub namens Smokey Whisper, ganz in der Nähe einer Missionsstation, der praktischerweise auch Zimmer anbietet. Unten den Reisenden ist auch Gundels Ex-Mann, der sie offenbar wiederhaben will. Sie will ihn aber nicht. Der charmante Ron, der sich nach einer Weile als Mörder outet, aber nicht mehr darüber erzählen will, bringt ihr Seelenheil viel mehr in Unordnung. Und damit es nicht langweilig wird, wären da ja auch noch die alternde Diva mit ihrem angeblichen Manager und Rainbow, mit der Gundel in einem früheren Leben schwer zu tun gekriegt hatte, und die in Knotenschrift geschriebene Schatzkarte, die die verkleidete Nonne mit der Knarre nicht lesen kann, und, und, und ...

Es gelingt Härtl gut, sich in eine Mittfünfzigerin einzufühlen, die sich in ein berufliches Abenteuer stürzt und noch einmal nach der Liebe sehnt. Wer schräge Charaktere mag und fantastische Geschehnisse, die ihm wahren Leben so eher nicht vorkommen dürfen, dazu noch ein wenig Urlaubsfeeling und Männertraum-Erotik, dem wird dieses Buch gefallen. Leider zeigen sich darin nicht nur viele besondere Einfälle, wie die Bardame, die jeden, der einmal mit ihr schläft, über Nacht zum Greis macht, eine gehörige Portion Humor und gelungene, originelle Formulierungen und Namen, wie Nellie Nachtigall, sondern auch Flüchtigkeitsfehler, so manche sprachliche Ungenauigkeit und manch schräger, gewollt wirkender Vergleich. - Ein Wermutstropfen. Von den "unruhig flatternden Augen" (Augen können nicht flattern, höchstens Wimpern) bis zu  dieser Stelle: Mein Lächeln entgleiste, als wäre das Verfallsdatum abgelaufen. "Schön, Sie wiederzusehen", sagte der Barmann. Augen, Mundwinkel, Wangen, alles an ihm schien sich tatsächlich zu freuen, mich zu erblicken. - Ein gründliches Lekorat, zumindest Korrektorat, hätte dem originellen, unterhaltsamen Roman gutgetan.

Der Autor: Wolf-Ingo Härtl veröffentlicht seit mehr als zwanzig Jahren Romane, Kurzgeschichten und Drehbücher unterschiedlicher Genres. Er schreibt bevorzugt und zum Teil unter Pseudonym über Themen in historischem Setting.

Wolf-Ingo Härtl, (K)ein Mann, der's wert ist, Taschenbuch tredition Verlag Juli 2020, 332 Seiten, 14 Euro.

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