Seit 2001 wohne ich in Bad Oldesloe - und das sehr gern. Über die Juden in dieser Stadt habe ich bisher kaum nachgedacht. Das änderte sich, als ich das Buch "Ich bin an diesem Ort geboren - Die Geschichte der Oldesloer Juden" von Sylvina Zander in die Hände bekam. Damit legt die Autorin das Ergebnis der ersten detaillierten, wissenschaftlichen Suche über die jüdische Bevölkerung in Oldesloe vor.
Bürgerworthalter Rainer Fehrmann schrieb im Geleitwort: "Die jüdische
Geschichte Oldesloes ist ... in Zeiten großer Migrationsströme eine
aktuelle Geschichte. Sie lehrt, dass ein gelingendes Zusammenleben
erkämpft und wachsam verteidigt werden muss."
Ich erfahre, dass das Schicksal der Oldesloer Juden bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts zurückreicht. Wir begegnen Israel Israel, der am 12. März 1737 die Erlaubnis erhält, sich als "Schutzjude" in Oldesloe niederzulassen. Danach wächst die jüdische Bevölkerung in der heutigen Kreisstadt zwar stetig an, macht aber einen nur sehr geringen Prozentsatz der Bevölkerung aus.
In ihrer Mikrostudie bindet die Historikerin die Schilderung der lokalen Besonderheiten in einen überregionalen Zusammenhang ein. Im Mittelpunkt des Buches steht die jüdische Familie Hirsch, die, ursprünglich aus Polen stammend, fast 200 Jahre lang in Oldesloe lebte. Eine Entwicklung vom Hausierer zum angesehenen Kaufmann wird sichtbar. Einige Familienmitglieder brachten sich in die Politik ein, wurden Stadtverordnete, waren als Mitglieder in vielen Vereinen angesehen - bis die Stimmung umschlug. Im Nationalsozialismus wurden viele in den Konzentrationslagern und Ghettos umgebracht.
Biografien einzelner jüdischer Oldesloer Bürger führen durch das interesssante und faktenreiche Buch, das mit der kurzen Schilderung eines Suizids mit Hilfe eines Juden und 50 Jahre später der Rettung dessen Enkels vor dem Ertrinkungstod durch einen Christen beginnt. Eine eigene Gemeinde hat sich in Bad Oldesloe nie gebildet, lebten doch jeweils nur ein bis vier jüdische Familien gleichzeitig in der Stadt.
Das Buch, von einigen wenige Fotos und abgedruckten Dokumenten illustriert, ist in zwei Teile gegliedert:
- die Zeit der Schutzjudenschaft bis zur Emanzipation der Holsteinischen Juden im Jahr 1863
- weiter bis zur Vernichtung jüdischen Lebens in der Zeit des Nationalsozialismus
Das Schicksal der Ehefrauen, Kinder, Enkel und Urenkel der letzten Oldesloer Juden im Nationalsozialismus wird im letzten Kapitel beschrieben.
Die Autorin: Sylvina Zander, heute Archivarin der Stadt Oldesloe, studierte Kunstgeschichte, Romanistik und Slawistik in Hamburg und promovierte in Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Veröffentlichungen zur Geschlechter-, Sepulkral-und Regionalgeschichte folgten.