Mittwoch, 10. April 2019

Hamburger Literaturhaus-Chef Rainer Moritz präsentiert Bücherparadiese

Ich komme an keinem Buchladen vorbei ...! Nun ja, ich muss das relativieren. Inzwischen geht das ganz gut bei den eher nichtssagenden, uniformen Läden, denn ich habe inzwischen so viele Bücher in meiner Wohnung, dass ich bald einen eigenen Laden aufmachen könnte. Aber an besonderen Buchläden, denen mit Seele und Aura und Liebe und so, an denen führt einfach kein Weg vorbei. Man tritt ein und ist gefangen. Herz und Kopf  und Seele gehen in Resonanz.

Rainer Moritz, Leiter des Hamburger Literaturhauses, scheint das ähnlich zu sehen. Sein Buch "Leseparadiese", erschienen im Verlag Sanssouci, ist eine Liebeserklärung an die Buchhandlung der besonderen Art. Inspirierende Fotos sucht man, vom Cover abgesehen, darin vergeblich, was ich ein wenig bedauere. Doch der Text macht das allemal wieder wett. Er schreibt von Buchhandlungen mit Saison für Saison wieder neu sorgfältig zusammengestelltem Sortiment, die durch leuchtende Tiefe, erklärte Präferenz, sichtbare Empfehlung überzeugen. Die Persönlichkeit zeigen und einen unverwechselbaren Charakter haben und deren Besitzer mit Eigensinn ihre Bücherlust betreiben. Die mit Geschichten handeln und mit Empörungen, mit Träumen und Sehnsüchten.

Anhand der vorgestellten Buchläden erzählt der Autor von seiner persönlichen Lese- und Büchersozialisation. Dabei verzichtet er auf den nostalgischen Blickwinkel (der mir, ich gebe es zu, ja auch gefallen hätte) und betrachtet Traditionsbewusstsein und Innovationsgeist als Chance für eine ökonomische Zukunft, damit die von vielen Menschen so geliebten Buchhandlungen auch weiter bestehen können und werden. Er zeigt sich den Buchhandlungen gegenüber, die in ihren Schaufenstern Neuerscheinungen beispielsweise von Nudeln und Fahnen und Olivenöl flankiert ausstellen, ebenso abgeneigt wie denjenigen, die im "Modernen Antiquariat" mit Supersonderangeboten schon im Eingangsbereich zu überzeugen suchen. Er erzählt von Sammlern und Lesern, die ihre Schäfchen um sich haben wollen und in Kauf nehmn, dass die Wohnungs- und Haussuche allmählich zum unlösbaren Unterfangen wird, und von Kindern bibliophiler Eltern, die auf dem Weg zu ihren Zimmern allmählich das Gefühl haben, den Büchereiausweis ständig mit sich herumtragen zu müssen. Von klitzekleinen Buchhandlungen mit schwäbischem Ordnungssinn und von anderen, die "das intellektuell unorthodoxe, ja vielleicht konfuse Innenleben seiner Besitzer widerspiegeln und keinem System folgen".

Hach, wie sympathisch mir das alles ist ...!

Der Autor: Rainer Moritz, Jahrgang 1958, Literaturwissenschaftler, gilt als einer der wichtigsten Akteure der deutschen Verlags- und Literaturlandschaft. Seit 2005 leitet er das Literaturhaus Hamburg. Zuvor war er Programmchef bei Reclam Leipzig und Geschäftsführer des Hoffmann und Campe Verlages in Hamburg. Als Literaturkritiker ist er für mehrere Tageszeitungen und Rundfunksender tätig. Zudem ist er Verfsser etlicher eigener Bücher, wie "Die schönsten Buchhandlungen Europas" (2010) oder "Mein Vater, die Dinge und der Tod" (2018).

Rainer Moritz, Leseparadiese - Eine Liebeserklärung an die Buchhandlung, 11,5 x 18,5 cm, 160 Seiten, Verlag Sanssouci 2019, 14 Euro.

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