Als sie jung war, gab es zwei leidenschaftliche Berufswünsche für sie: eine richtig gute Köchin zu werden oder Literatur zu studieren. Sie entschied sich für die Literatur und führte eine gaze Weile ein höchst abwechslungsreiches Leben als Journalistin. Ihre Reportagen führten sie in Situationen und Gegenden, von denen andere nur träumen. Sie verfasste Reportagen für Stern, Geo, Merian, Neon und Annabelle.
Als sie 39 Jahre alt war, klopfte der zweite Berufswunsch so stark an in ihrem Seelengehäuse, dass sie das nicht länger ignorieren konnte. In einem Alter, in dem sie 20 Jahre älter war als andere Auszubildende, ließ sie sich zur Köchin ausbilden - ausgerechnet in der Küche des als Choleriker geltenden Gordon Ramsay Sie schuftete 16 Stunden am Tag; Erniedrigung wurde zu ihrem zweiten Vornamen. Sie lernte, dass man Spargel im kochend heißen Wsser mit den bloßen Fingern zu prüfen hat, weil man nur so den idealen Garpunkt ermessen kann. Tapfer und zäh durchschritt sie Hölle um Hölle, riskierte ihre Gesundheit, kämpfte - bis sie sich schließlich in einem bedeutenden Kochfinale wiederfand und ... Nein, ob sie gewann, wird hier nicht verraten. Nur soviel: Wer sich auf die Lektüre dieses Buches einlässt, wird erkennen, wie zahm Kochshows sind, und sich fragen, ob das alles sich wirklich lohnt für ein paar lukullische Genüsse, die in wenigen Minuten Vergangenheit sind. Für Verena Lugert hat es das.
Man merkt dem Buch an, dass die Autorin eine Journalistin ist, die genau hinsieht und die mit Worten umzugehen weiß, die ihren ganz eigenen Stil hat. Drei Beispiele: "Es ist ein Instantkaffee aus dem Discounter, mit dem Bukett von Holzmehl, Lösungsmittel und Teer, eine Kaffee-Aberration, die man sonst nur in Südostasien auf alten jamernden Seelenverkäufern kriegt ..." (Einen solchen Kaffee darf die angehende Spitzenköchin in der Pause "genießen", dazu Brei mit einem Blechlöffel zum Frühstück essen.) "Hannah hat sich beruhigt. Das tobende Dreschen hat sich in ein abschwellend-zitterndes plonk-plonkeplonk-kk-kkk-kk verwandelt, bevor sie die Schöpfkelle nachdenklich zur Seite legt." Oder so: "Ich setze mich auf ein Bänkchen am Fluss. Es ist ein feuchter Herbsttag. Wie silberne Fäden sirrt ein feiner, wispernder Regen zu Boden, der Himmel hängt wie Blei über London."
Die Autorin: Verena Lugert, Jahrgang 1973, absolvierte die Henri-NannenSchule und pendelte als Journalistin zwischen Bali und Hamburg, bevor sie sich an der legendären Kochschule Le Cordon Bleu in London ausbilden ließ.
Verena Lugert, Die Irren mit dem Messer - Mein Leben in den Küchen der Haute Cuisine, Verlag Knaur, Hardcover mit Schutzumschlag, 272 Seiten, 19,99 Euro.
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