Montag, 5. März 2018

Manfred Spitzer: Einsamkeit, die unerkannte Krankheit

Vor geraumer Zeit sagte eine - verheiratete - Freundin zu mir: "Ich bin ja sooo gern mit mir allein!" Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Allerdings ist besagte Freundin ja nicht einsam und auch ich bin es nicht. Ab und zu allein zu sein und ungewollt einsam zu sein, das ist ein riesiger und schmerzhafter Unterschied.

Einsamkeit - eines der großen Themen unserer Zeit. Allein in Deutschland leben 17 Millionen Menschen in Single-Haushalten. 1950 wurde in Deutschland jede zehnte Ehe geschieden, heute ist es jede dritte. Unseren Kindern wird früh gezeigt, wie einzigartig sie sind. Damit sind die meisten von ihnen, was ich schön finde, weitaus weniger schüchtern als ich es als Kind war. Aber bis zum narzisstischen Verhalten ist es eben auch nicht mehr weit. Das mit Abstand meistfotografierte Motiv von Kindern und Jugendlichen sind sie selbst. Und wenn sie nicht aufpassen, sind sie bald mehr mit sich selbst allein als ihnen lieb ist.

Einsamkeit droht. Und das in jedem Lebensalter.  So gibt es beispielsweise einen klaren  Zusammenhang zwischen dem Erleben von Einsamkeit und der Nutzung von sozialen Online-Netzwerken. Es gibt sehr viele einsame ältere Frauen ... Weil Männer früher sterben und damit die Auswahl sinkt, weil Frauen keine Männersocken mehr waschen, ihre Eigenständigkeit nicht mehr aufgeben wollen. Ein Dilemma, denn: "Einsamkeit ist tödlich, eine schlechte Paarbeziehung auch", schreibt Manfred Spitzer. Und er fordert: "Wir dürfen Einsamkeit nicht länger als 'Nebensache' abtun, denn Einsamkeit ist eine Krankheit." Mit gravierenden Folgen für Körper und Seele. Studien belegen, dass einsame Menschen häufiger als andere an Krebs, Herzinfarkt, Schlaganfall, Depressionen und Demenz erkranken. Einsamkeit breitet sich aus wie eine Epedemie. Und das Schlimmste: Nicht nur Singles sind betroffen, sondern auch Verheiratete. Was mich, by the way, an das lesenswerte Buch "Together alone" erinnert ... Aktive Teilnahe an der Gemeinschaft mit anderen Menschen dagegen ist gesund, gelegentlicher Rückzug inklusive.

In seinem neuen Buch "Einsamkeit, die unerkannte Krankheit" schreibt Spitzer, der sich in seinem Buch selbst als Single outet, über alle Aspekte dieses Phänomens, dieser schmerzhaften, ansteckenden, tödlichen Krankheit.

Der Autor: Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer, bedeutender deutscher Gehirnforscher, leitet die Psychiatrische Universitätsklinik in Ulm und das Transferzentrum für Neurowissenschaften und Lernen. Zuletzt veröffentlichte er die Bestseller "Digitale Demenz" und "Cyberkrank".

Manfred Spitzer, Einsamkeit, die unerkannte Krankheit, Hardcover mit Schutzumschlag, 320 Seiten, Droemer-Verlag 2018, 17,99 Euro.




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