Samstag, 2. Januar 2021

Oskar Roehlers autobiografischer Roman "Der Mangel"

Oskar Roehler, Jahrgdiang 1959, hatte alles andere als eine einfache Kindheit und Jugend - was sich in seinem autobiografisch geprägten Roman "Der Mangel" deutlich und sprachgewaltig zeigt. Er wuchs als einer von den "Fremden" auf der Hut auf, oberhalb des Dorfes. Der Weg vom Dorf dorthin war unbefestigt und steil wie eine Skipiste. Die Bauern kamen ihrer Verpflichtung, das Eis zu räumen, einfach nicht nach. Als Kind mit schweren Einkaufstüten davor zu stehen, allein das war schon eine frustrierende Herausforderung der besonderen Art, die ein Gefühl von Ohnmacht und Empörung heraufbeschwor. Mitreißend beschreibt Roehler die Gefühle von damals: "Diese im Dunkel liegenden Höfe hatten etwas Gemeines von Häme und Spott; man fühlte sich aus den dunklen Fensterhöhlen beobachtet, wenn man das lächerliche Schauspiel des Heraufkraxelns abgab, und wir konnten ihr schadenfrohes Lachen förmlich hinter unserem Rücken spüren. Sie hatten eine Taktik, uns am langen Arm verhungern  zu lassen."

Die düstere Stimmung, die sich hier abzeichnet, bleibt über weite Strecken des Buches erhalten. Doch zum Glück, wie ein tröstlicher Stern in dunkler Nacht, gibt es da ja diesen Behrend, der eines Tages beginnt einige Kindern an seinem Wissen teilhaben zu lassen, der Verständnis für das Wesen der Kunst in ihnen wachsen lässt und damit nicht zuletzt dem jungen Roehler einen Rettungsanker fürs Überleben zuwirft. 

Eine der für mich persönlich faszinierendsten und bedrückendsten Szenen ist diejenige, die beschreibt, wie eine absolut unmenschlich und pädagogisch völlig ungeeignet erscheinende Lehrerin versucht, dem jungen Protogonisten die Linkshändigkeit auszutreiben. Der Junge leidet - bis er endlich, endlich den Spieß umdreht.

Der Autor: Oskar Roehler, geboren 1959, ist Schriftsteller und Regisseur. Er ist verheiratet und lebt in Berlin. Seit 2011 erscheinen seine Romane bei Ullstein.

Oskar Roehler, Der Mangel, Roman, gebunden mit Schutzumschlag, Ullstein-Verlag 2020, 170 Seiten.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen