Samstag, 25. September 2021

Emanzipaton, Aufgabe oder "Das Leben keiner Frau" von Caroline Rosales

Das Cover von "Das Leben keiner Frau", ich muss es gestehen, gefällt mir nicht. Vielleicht liegt es daran, dass ich begeisterte Nichtraucherin bin und lilafarbene Haut irgendwie mit ungesund assoziiere, und da ist nun einmal eine solche Hand auf einem übergeschlagenen Bein in grüner Hose zu sehen, eine halbverglühte Zigaretten zwischen Zeige- und Mittelfinger. Der Inhalt aber hat es in sich. Und das hat auch schon der Titel. Ein Titel, der aufmerksam macht und zugleich ein wenig traurig.

Im vorliegenden Roman geht es zunächst um ein rauschendes Fest, dessen Teilnehmer ich persönlich nicht zu meinen Freunden zählen würde: Melanies 50. Geburtstag. Sie lässt sich feiern, der Champagner fließt in Strömen, ein Flirt liegt in der Luft. Vielleicht auch ein bisschen mehr, denn schon bald wünscht Melanie, alle bis auf einen mögen abhauen - ihr sei nach Sex. Von Liebe ist eher nicht die Rede. 

Probleme - oder sagen wir eher ein Mangel an Glück - tauchen nicht nur in Mels Liebesleben auf. Probleme, wie manche Frauen sie haben:

  • Melanies eher ungeliebte Mutter braucht Hilfe.
  • Melanies Tochter ist ein Heimchen am Herd.
  • Im Job muss Melanie es hinnehmen, dass eine jüngere Kollegin an ihrer Stelle befördert wird.
  • Melanies Ex-Mann wird Vater. Seine neue Partnerin trägt das Kind aus, das er nie haben wollte. 

Eine romantische Liebesgeschichte wird bei diesem Titel niemand erwarten und das ist der Roman auch nicht. Die Autorin nennt Dinge schonungslos beim Namen. Sie zeigt im Setting des Redaktionslebens das Oberflächliche, Aufgesetzte, tendenziell Deprimierende. Sie zeigt die eher stille Verzweiflung im Kampf um Widerstand gegen patriarchalische Strukturen, bis hin zur Todessehnsucht - im Prolog erleben wir die Vorbereitungen eines Selbstmords mit, am Ende ... Aber nein, das wird hier natürlich nicht verraten.

Insgesamt: ein erstaunliches Debüt, das die große sprachliche Begabung und Originalität der Autorin, die sich in einer detaillierten Beobachtungsgabe und vielen ungewohnten Beschreibungen zeigt, eindrucksvoll unter Beweis stellt. Ebenso wie ihren Mut, nicht gefällig, sondern nüchtern, fast hart zu schreiben und zugleich poetisch. "Als ich unseren Familiennamen höre, zucke ich zusammen. Mutter weint, die Tränen rollen wieder über ihre Wangen. Zusammengekauert in ihrem Rollstuhl sieht sie aus wie ein Kind, wie eine kleine Puppe. ... 'Bring mich hier weg, Melanie, bitte!'" Manchmal klingt es auch zynisch: "Ich lache künstlich. Chérie hat gerade ernsthaft Mädels-Wochenende gesagt. Marie lacht mit offenem Mund auf einer Tonspur, die sonst nur Hunde hören können, und ich kann nicht anders, als sie anzustarren. Happy Weekend."

Die Autorin: Caroline Rosales, Jahrgang 1982, Autorin mehrerer Sachbücher und Redakteurin der ZEIT-Magazine bei ZEIT ONLINE gab im Jahr 2019 ihr autobiografisches Buch "Sexuell verfügbar" heraus, in dem sie über ihr Aufwachsen als Mädchen und ihr Frausein im Spiegel von Alltagssexismus und Missbrauch schrieb. Dem ließ sie mit "Das Leben keiner Frau" ihr literarisches Debüt folgen.  

Caroline Rosales, Das Leben keiner Frau, Roman, Ullstein-Verlag 2021, gebunden mit Schutzumschlag, 235 Seiten, 22 Euro.

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