Mittwoch, 4. Oktober 2017

Kinderhospiz - Mutmachgeschichten vom Sterben und vom Leben

"Wenn dir der Mann stirbt, ist das schlimm", sagte meine Oma vor vielen Jahren, "aber wenn das eigene Kind stirbt, ist das noch viel schlimmer." Damals war ihr jüngster Sohn bei einer Operation beinahe unter dem Messer geblieben. 20 Jahre später hing das Leben meines Erstgeborenen kurz nach seinem 14. Geburtstag am seidenen Faden und ich verstand mehr als je zuvor, was sie meinte. Die gute Nachricht: Er hat überlebt. Die Kinder, von denen im Buch "Ich wohne bald im Zeitlosraum" die Rede ist, sind gestorben. Dennoch ist es ein tröstliches Buch, in dem Mutgeschichten vom Sterben und vom Leben von Kindern und deren Familien erzählt werden. Es sind Geschichten, die zeigen, dass das Sterben zum Leben gehört - für die sterbenden Kinder ebenso wie für deren Geschwister, Eltern und Großeltern.

Kinder sterben anders, so die Erfahrung der Autorin. Sie haben nur dann Angst vor dem Sterben, wenn der Prozess mit Schmerzen verbunden ist. Sind die Schmerzen gestillt, nimmt die natürliche Neugierde überhand. Wichtig ist, genau hinzuhören und ehrlich und einfach auf Fragen des Kindes einzugehen, etwa wie das eigentlich sei mit dem Tod. So wie Joshis Onkel zum Beispiel. Als der Sechsjährige ihn fragt, ob er vielleicht sterben müsse, fragt der Onkel zurück: "Was denkst du denn?" "Ich weiß es nicht genau, aber ich denke, vielleicht schon." "Ich glaube auch, dass es möglich ist." "Wie geht das eigentlich?" "Was?" "Na, sterben ..." "Vor dem Sterben schläft man meist schon ganz viel und irgendwann hört man einfach nicht mehr auf mit dem Schlafen. ..." "Tut das weh?" "Nein, du merkst es gar nicht richtig, weil du ja schläfst." ...

Erzählt wird von
  • Alexandra, gestorben mit 15 Jahren
  • Lucián, gestorben mit 12 Jahren 
  • Limpo, gestorben mit 7 Jahren
  • Ben, gestorben mit 10 Jahren
Die Rede ist aber auch von Geschwistern, wie Kim, die ihre Schwester manchmal wie einen Engel auf ihrer Schulter spürt. Oder von Eltern, wie der Mutter von Hauke, die von den Spuren erzählt, die ihr verstorbener Sohn nach neun Monaten im Mutterleib hinterlassen hat. Oder von Großeltern, die verarbeiten müssen, dass ihr 12-jähriger Enkel ihnen vorausgegangen ist. Und zum Schluss erzählt Joel unter der Überschrift "Wenn du für ein langes Leben nur kurz Zeit hast" aus seinem Leben. Er ist 14 Jahre alt und hätte aufgrund seiner lebensverkürzenden Erkrankungen eigentlich schon mit etwa 10 Jahren sterben müssen. Seine Beerdigung hat er längst geplant. Sein Lieblingsspruch ist: "Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu sein." Er will nämlich jederzeit sagen können, dass er sein Leben wirklich gelebt hat und dass es schön war. "Ich weiß zu 100 Prozent, dass ich das am Ende sagen kann!"

Die Autorin: Sabine Rachl arbeitet als Musiktherapeutin im Kinderhospiz in Wuppertal, als Lehrbeauftragte an der UdK Berlin sowie als Bildungsreferentin für den Umgang mit Sterben, Tod und Trauer. Mit ihrem inzwischen verstorbenen Mann hat sie zudem eine Schule gegründet.

Sabine Rachl, Ich wohne bald im Zeitlosraum - Mutgeschichten vom Sterben und vom Leben - Kinder und ihre Familien erzählen, 192 Seiten, Hardcover, Patmos-Verlag 2017, 18 Euro.


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