Es ist ein magischer, unvergesslicher Sommer. Der Sommer, in dem Sam sich zum ersten Mal verliebt. Es ist der Sommer, den Sam's Mutter todkrank erlebt. Seine Mom, die Sam's Vater geheiratet hatte, obwohl er so verschlossen war und sie darunter litt, wohl weil er immerhin so oft seine innere Tür für sie geöffnet hatte, dass sie ihn verstand. Während der Fünfzehnjährige darauf wartet, dass sein Bartwuchs endlich den Einsatz des neuen Rasierers rechtfertigt, muss seine Mom ins Krankenhaus und er weiß nicht, ob er sie lebend wiedersieht. Doch noch ist es gut gegangen: "Ich schoss auf die beiden zu. Es entstand eine diffuse Dreierumarmung, bei der nie ganz klar war, wer gerade wen umarmte. Als ich losließ, sah ich, dass Mom sogar weinte. Selbst Dad hatte feuchte Augen; es schien ihm egal zu sein, dass ich es sah. Aus dem Keller holte er einen Karton Eis, und als wir in der Küche aßen, hielt er die ganze Zeit Moms Hand." Und dann, nur wenig später wirft Kirstie, für die Sam schwärmt, Steinchen ans Fenster. Sie hat Daumen gedrückt für seine Mom und lädt ihn ein, mit ins alte Kino gekommen, wo er seinen Ferienjob gerade erst gekündigt hat, und er zieht das Kinder-TShirt aus, das er trägt, und fährt mangels Alternativen in ein erwachsener wirkendes, aber bereits getragenes, müffelndes Hemd, das er mit reichlich Deo einsprüht, und geht hinunter und lässt sich zum ersten Mal von Kirstie umarmen ...
Bald zeigt das Leben seine harten Seiten. Und dann kommt der Tag, an dem Sam den alten Buick mit dem Hammer zertrümmert und mit dem Inspector spricht, dem Lehrer für Literatur, der die Schüler und Schülerinnen Hard Land interpretieren lässt, das (fiktive) Gedicht rund um die 49 Geheimnisse, die allesamt in Sam's Heimatort angesiedelt und im Aufsatz möglichst zu lösen sind. Niemals scheint er recht zufrieden zu sein, doch man munkelt, ein Schüler (oder war es eine Schülerin?) habe tatsächlich eine begehrte Eins vom Inspector bekommen. Beim Inspector erfährt Sam so etwas wie Trost für jenen "wahrhaft beschissenen Winter", der dem magischen Sommer gefolgt war. Und zum Schluss, man hätte es kaum zu hoffen gewagt, gibt es tatsächlich noch ein überraschendes Happy End für den inzwischen sechzehnjährigen Sam. Ein zauberhaftes sogar.
Ein facettenreicher, wunderbar warmherziger, tiefgehender Roman um das Erwachsenwerden, der fast weinen lässt und fast lachen.
Der Autor: Benedict Wels, Jahrgang 1984, zog nach dem Abitur nach Berlin um zu schreiben, während er seinen Lebensunterhalt mit diversen Jobs bestritt. Er muss gespürt haben, dass dieses Wagnis sich lohnte: Sein vierter Roman stand mehr als anderthalb Jahre auf der Bestsellerliste, er wurde u. a mit dem European Union Prize for Literature ausgezeichnet, 2016, und bislang in 37 Jahren veröffentlicht. Nach Jahren in Barcelona let er nun in Zürich.
Benedict Wells, Hard Land, Roman, gebunden mit Schutzumschlag, Diogenes-Verlag 2021, 343 Seiten, 24 Euro.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen