An drei Nachmittagen in der Woche gebe ich Kurse im schulischen GT-Bereich. Die meisten Kinder, denen ich dann begegne, sind mit zweierlei Dingen beschäftigt: mit Reden und mit Kauen. Noch immer kann ich mich nicht daran gewöhnen, dass fast alle Kinder nur stark gefärbtes Zuckerzeug in sich hineinschieben, Pommes mit Ketchup oder so seltsame, stark gewürzte Nudeln aus der Tüte, die eigentlich zur Zubereitung einer schnellen Nudelsuppen gedacht sind. - Muss ich betonen, dass die meisten Kinder in den Kursen nicht sonderlich konzentriert bei der Sache sind?
Die Lektüre des Buches "Darm heilt Hirn heilt Körper - Wie wir uns und unsere Kinder richtig ernähren" ist da Wasser auf meine Mühlen. Maya Shetreat-Klein, Kinder-Neurologin mit eigener Praxis in New York, stellt darin ihr Ernährungskonzept speziell für Kinder vor. Das hat seinen Grund. Ihr jüngster Sohn begann als Kleinkind eines Tages von jetzt auf gleich, pfeifend zu atmen. Die Nase lief und schwoll an. Gleichzeitig stagnierte seine geistige Entwicklung, was unter andeerem daran zu bemerken war, dass er keine neuen Wörter dazu lernte. Er entwickelte einen juckenden Ausschlag und Beulen am Körper und stieß sich ständig den Kopf an. Die Idee, all das könne vielleicht mit der Ernährung zusammenhängen, wurde von den konsultierten Ärzten verworfen. Erst als Shetreat-Klein nach "zehn grauenhaften Monaten der Suche nach Antworten" selbst zu forschen begann und einen Allergologen fand, der ihren Sohn testete, anstatt die Sorgen um die Ernährung abzutun, stellte er eine schwere Sojaallergie fest. Tragisch, hatten die Eltern ihrem Sohn doch Sojamilch statt Kuhmilch gegeben, weil er auf Kuhmilchprodukte mit Blähungen reagierte. - Schon nach einer Woche ohne Soja verschwanden die Symptome und in den kommenden Wochen lernte der Junge wieder neue Wörter.
Im vorliegenden Buch erzählt die Medizinerin von dem fruchtbaren Garten, dem sie einem toten Boden abtrotzte, indem sie den Boden nährte und verbesserte. Ebenso sei es bei den Menschen, getreu dem Pasteur zugeordneten Zitat "Die Mikrobe ist nicht, das Umfeld ist alles." Sie ermutigt dazu, alles wegzulassen, was nicht wirklich nährt, erklärt die Schäden "gesunden" Essens, das mit Unverträglichkeit einhergeht, warnt vor giftigen Zusatzstoffen, bricht eine Lanze für Leitungswasser und dafür, Kinder wieder die Natur erleben zu lassen. Im Kapitel "Heilung von innen nach außen durch besseres Essen" präsentiert sie Einkaufslisten und -tipps. (Ein wenig verwundert lese ich, dass sie auch Speck empfiehlt, während andernorts von Schweinefleisch immer wieder abgeraten wird. Ähnlich moderat ist ihr Urteil über Milch, die, so schreibt sie, seit Jahrtausenden ein wichtiges Grundnahrungsmittel sei.) Sie bringt schockierende Zahlen, wie etwa die, dass das Vorkommen von Autismus in zehn Jahren um 78 Prozent gestiegen sei. Sie berichtet von Kindern, für die es normal ist, "nur einmal in der Woche zur Toilette" zu "müssen, um ein großes Geschäft zu erledigen." Schockierend auch dieser Satz: "Manche Kinder schlucken so viele Medikamente auf einmal wie die Bewohner eines Altenpflegeheims" - gegen Ekzeme, Reflux, Allergien, Migräne, Verstopfung, ADHS, Lernstörungen, Depressionen und Ängste ... womit die Liste noch längst nicht beendet ist.
Alles in allem: ein engagiertes, gut zu lesendes Buch, das Veränderungen anstoßen könnte, die viele Kinder (ebenso wie Erwachsene) sehr gut gebrauchen könnten, um (wieder oder endlich) fit zu werden an Körper, Geist und Seele.
Dr. Maya Shetreat-Klein, Darm heilt Hirn heilt Körper - Wie wir uns und unsere Kinder richtig ernähren, Verlag Knaur Menssana, gebunden mit Schutzumschlag, 379 Seiten, 19,99 Euro.
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